Sonntag, 22. Oktober 2017

The National live in der Elbphilharmonie Hamburg: Großartiges Konzert in voller Länge!

Die majestätischen Meister der hymnischen Melancholie von The National haben am gestrigen Abend im Großen Saal der Ebphilharmonie Hamburg gespielt. Für alle, die ebenso wie ich bei der Ticketverlosung nicht das Glück hatten, teure Eintrittskarten erwerben zu dürfen, wurde das Konzert auf der Webseite der Elphi sowie auf Facebook live gestreamt und ist nun auch (zumindest für den Moment) bei Youtube verfügbar. Die Setlist enthält Glanzstücke aller sieben Studioalben der Band, wobei ganze 11 Songs vom letzten Monat erschienenen neuen Werk "Sleep Well Beast" zu hören sind. Durch sparsame Beleuchtung, hervorragenden Sound und ein andächtig lauschendes Publikum entsteht in diesem riesigen Saal mit mittiger Bühne (Sänger Matt Berninger erwähnt, dass es "like the Jedi Council" sei - als Star-Wars-Nerd komme ich allerdings nicht umhin zu bemerken, dass er eigentlich den Galaktischen Senat meint) eine intensive, intime und in den rockigeren Passagen auch sehr energetische Atmosphäre. Ein wunderbares Konzertvergnügen also. So öffnet eure Herzen und eine Flasche Rotwein, schiebt den Lautstärkeregler nach oben und betätigt die "Play"-Taste für zwei wunderbare Stunden mit "The National".



adlerkuss-Kollaborateur Dojos war beim National-Gig in Berlin wenige Tage später dabei und berichtet folgendermaßen:

"Nobody else will be There" heißt der Opener des Albums "Sleep Well Beast", mit dem sich "The National" in diesem Jahr zurückmeldeten. So hellsichtig der Songtitel auch ist, auf die beiden Konzerte der Band in Berlin ist er zunächst nicht anwendbar: Die Abende im Tempodrom sind bereits seit Monaten ausverkauft. Im Gepäck hat die Band ein Album, das nicht ganz an die Intensität von "High Violet" heranreicht und doch vielseitiger ist als das Meisterwerk, mit dem "The National" 2010 den Indie-Olymp erklommen.

Die Großteil der Songs an dem Abend kommt erwartungsgemäß auch von "Sleep Well Beast". Das Konzert beginnt mit "Born to Beg", einer eingängigen Ballade, die bei dem was noch kommt, aber eher als Fingerübung in Erinnerung bleibt. Erster Höhepunkt des Abends ist "Afraid of Everyone". Spätestens als der Sänger Matt Berninger "Your Voice has stolen my soul, soul, soul, soul" klagt, ist klar, dass seine Stimme hier gar nichts stehlen muss: Es gehört ihr längst schon alles. Das wird bei "I need my Girl" auf eine befremdliche Art deutlich: Als Lisa Hannigan die zweite Strophe singt, erschallen aus einigen Ecken Buh-Rufe.

Doch obwohl auch noch vier zusätzliche Begleitmusiker auf der Bühne stehen, sind die Lieder nicht überladen. Vor allem Midtempo Songs wie "Day i Die" oder "Don't Swallow the Cap" gewinnen durch die feine Orchestrierung an Substanz. Ihre Vergangenheit als schwermütig schrammelnde Clubband klammern "The National" dabei nicht aus. Bei "Mistaken for Strangers" wirkt das Tempodrom zwar plötzlich etwas überdimensioniert, aber es wird auch klar, welch beeindruckende Entwicklung die New Yorker Combo im letzten Jahrzehnt genommen hat.

Ob "High Violet" der Höhepunkt im bisherigen Schaffen der Band ist, darüber kann man streiten. Dass die Songs des Albums im Tempodrom als Highlights platziert werden, ist unstrittig. Spätestens ab "Bloodbuzz Ohio" singen Matt Berninger und das Publikum auf Augenhöhe. Dass der Sänger immer wieder darüber hinauswächst, zeigen "Mr. November" und "Terrible Love". Berninger irrlichtert jetzt zwischen zerbrechlicher Melancholie und trotzigem Furor durch den Saal. Das Publikum dankt es ihm schließlich mit einer A-Cappella-Version von "Vanderlyle Cry Baby Geeks". "Man it's all been forgiven / swans are a swimming" hallt es durch den Raum. Die Band ist jetzt nur noch stiller Dirigent. Und trotzdem: "Nobody else will be there".